Schach dem König oder Heinrich Heine auf Helgoland - Sammlung Elke Rehder
Roy Rasmussen schrieb den Text zu meinem 2006 erschienen Künstlerbuch
"Schach dem König oder Heinrich Heine auf Helgoland und die Sage von
Rodulf und Rumetrud der Gebrüder Grimm". Hier folgt ein kurzer Auszug
aus dem ersten Kapitel:
Als ich bei einem Ausflug nach Cuxhaven – dort wo sich der Strom der Elbe
in die weite Nordsee ergießt – zum ersten Mal die Bilder von Elke Rehder
sah, war ich erstaunt über die Vielfalt der Betrachtungsweisen zum Thema
Schach. In dem Künstlerhaus des Schlossparks zu Ritzebüttel, wo die
Künstlerin für einige Zeit ein Atelier bewohnte, war mir dies klar
geworden. Ich betrachtete die großformatigen Bilder, die noch den Duft
feuchter Ölfarbe verströmten, und wunderte mich, mit welcher Intensität
sich die Künstlerin mit der Schachthematik beschäftigte. Bilder mit dem
Titel "Angriff der Bauern" und "Bauern bedrohen den König" gingen mir
auf meiner weiteren Reise nach Helgoland nicht mehr aus dem Sinn.
Bevor ich das Schiff nach Helgoland betrat, versorgte ich mich in einem
Buchladen noch mit einer Tageszeitung und einem antiquarischen Buch aus
der sogenannten Flohmarkt-Kiste, denn das norddeutsche Wetter schien
sich nicht gerade zum Besten zu entwickeln. Die Überfahrt war stürmisch
und die Aussicht auf die dunkelgraue, wild tosende Nordsee bereitete mir
keine Freude. Ich griff zum Buch, ein Sammelband aus Heines Werken, und
begann mich mit Lesen etwas abzulenken. Ich schlug das Buch an einer
beliebigen Stelle auf und stellte mit Freude fest, dass dort Briefe
abgedruckt waren, die 1830 auf der Insel Helgoland von Deutschlands
großem Dichter Heinrich Heine verfasst wurden. Welch ein Zufall, wo ich
doch gerade auf dem Wege dorthin war.
Ich las alle sieben Briefe und versuchte mich in die Zeit ihrer Entstehung
hineinzuversetzen. 1830, die Zeit des Vormärz und der Julirevolution in
Paris. Wie mag es wohl armen Journalisten wie mir damals ergangen sein.
Mit Sicherheit gab es genau so viel zu berichten wie heute – vielleicht
sogar noch mehr. Aber unter welchen Arbeitsbedingungen?
Mir gegenüber saßen zwei junge Männer, dem Alter, Aussehen und Verhalten
nach vermutlich Studenten auf der Reise nach der damals noch zollfreien
Insel, die sich für eine Einkaufsfahrt in Sachen Tabak und Spirituosen
allseits großer Beliebtheit erfreute. Die jungen Leute waren über ein
kleines Reise-Schachspiel vertieft, deren einfache Plastikfiguren man in
die schwarzen und weißen Felder hineinstecken konnte. Sie waren
offensichtlich in ihren strategischen Gedanken so versunken, dass sie
die permanente Schaukelei des kämpfenden Schiffes nicht bemerkten.
Ich war in meinem schon etwas zerlesenen Buch just an die Stelle gelangt,
wo der Brief vom 6. August 1830 mit den Zeilen begann: "Während sein
Heer mit den Langobarden kämpfte, saß der König der Heruler ruhig in
seinem Zelte und spielte Schach..." und ich dachte: Ja, so ist es recht,
mag das Schiff im Sturme untergehen, ihr sitzt hier und spielt Schach!
Ich hatte die Bilder von Elke Rehder wieder vor Augen, die ich mir in
Cuxhaven aus Zeitgründen nur flüchtig ansehen konnte. In der einen Hand
Heines Brief zur Julirevolution in Paris, die Augen auf die
schachspielenden Studenten gerichtet und die symbolhaften Zeichnungen
und Ölbilder aus Cuxhaven im Kopfe landete ich schließlich sicher auf
festem Boden, auch wenn es nur eine Insel war.
Text © Roy Rasmussen
Bilder © Elke Rehder
zurück zu Heinrich Heine to top